• Plankton
  • Alte Freunde
  • Fisch bis zum Abwinken
  • Monsterfisch
  • Himmel, Horizont und Häuser
  • We survived
Videos
  • Video vom Abenteuerspielplatz
  • Rauf und Runter
 

Leer

Leer

18:12 Das Gewitter, die Blitzschlaege klingen immer noch in unseren Ohren, gefluechtet sind wir aus Nargana nach Coco Bandero. In der Hoffnung auf eine ruhige Nacht.

Nicht nur uns hat es getroffen heute nacht. Auch die SY VENTANAS mit Skipperin Rachel und zwei Matrosinnen. Doch sie hat es noch haerter getroffen. Der Blitz, der ungefaehr zur selben Zeit wie bei uns einschlug, hat Autopilot, Radar, Lichtmaschine, GPS, Echolot, Radio und wer weiss was sonst noch alles zerstoert, verbrannt, verwuestet.

Wir koennen es kaum glauben, dass wir soviel Glueck im Unglueck hatten! Die VHF-Antenne ist schlichtweg vom Mast geflogen und verkohlt und die Sicherung des Radargeraetes ist durchgebrannt, dabei war es noch nicht einmal eingestoepselt. Der Rest arbeitet! Radio, Pactor, Kommunikationsgeraete, Laptop, alles gut. Gott sei Dank!
Wahrscheinlich hat uns die Tatsache gerettet, dass unsere Lady aus Stahl ist, der Blitz findet einen Weg nach draussen und muss nicht im Bootsinneren in der Elektronik wueten, wie bei einem GFK-Boot.

Und doch, trotz des Glueckes ist die Stimmung an Bord gedrueckt. Was nun? Bleiben? Nichts wie weg? Die ganze Planung war auf ein paar weitere Wochen San Blas angelegt. Praktikum im Krankenhaus, Recherche fuer Artikel, Schnorcheln und Tauchen, so viele Plaene und nun soviel Ungewissheit. Wie hoch ist die Chance noch einmal getroffen zu werden? Haetten wir wieder soviel Glueck? Vor 13 Jahren bin ich schon mal vom Blitz getroffen worden, in Kanada, auf einem Weizenfeld. In die Nasenspitze und den Kopf! Eine taube Nasenspitze und Kopfschmerzen fuer 4 Tage waren die Folge. Derselbe Blitz traf meine damalige Gastmutter ins Bein, ein roter Streifen markierte danach Ein- und Austrittsstelle.
Sind drei Blitze im Leben genug? Oder ziehe ich sie einfach magisch an? Micha zuckt auch nur mit den Achseln.

Frustriert und leer haben wir uns nach Coco Bandero zurueckgezogen. Palmeninseln, Sandstraende, klares Wasser. Es troestet und ich kann endlich versuchen, nach drei Wochen Heimat hier wieder anzukommen! Mensch Micha, das Feuerwerk heute nacht an der Mastspitze war zwar als Willkommensgruss nett gemeint, waere aber wirklich nicht noetig gewesen...

04:33 Mir zittern jetzt noch die Knie. Gegen drei Uhr wache ich auf, es regnet durch die offene Luke, wieder mal eine Nachtruhenunterbrechung. Sechs Schiffe liegen inzwischen hier vor Anker. Unter anderem die Partycharterboote, die mir mit ihrer Lautstaerke mal wieder das Einschlafen erschwert haben.

Gegen 3:00 Uhr dreissig zieht ein Gewittermonstrum genau auf die Anchorage zu. Kaum Wind nur tiefe Wolken und ein Inferno an Blitzen, Regen. Ich stecke die Schlaeuche zu Wassersammeln zusammen und irgendwie hab ich schon ein schlechtes Gefuehl.

Kurz danach der erste Schlag. Ich sitze in der Plicht, ein unglaublicher Laerm. Nie in meinem Leben hat es so laut, so urzeitlich geknallt. Mit einer enormen Kraft und einer nie gesehenen Lichtstaerke schlaegt der Blitz in die Mastspitze? Ich weiss es nicht, springe auf, es regnet Funken an der backbordseite der Lady als wenn ein riesiges Feuerwerk gezuendet wurde. Ich bin panisch, all die Erzeahlungen anderer Boote gehen mir sekundenschnell durch den Kopf. Alles im Eimer, zerstoert, von millionenschwereren Spannungsstoessen, die Elektronik in kleine schwarze, qualmende Brocken verwandelt. Ich trommel mit den Haenden auf den Niedergang, weiss nicht wohin mit meiner Wut, Verzweiflung und der puren Angst, schreie meine Wut hinaus. Doch ich lebe. Nathalie kommt ebenfalss schreiend, heulend nach oben. Auch sie hat das Feuerwerk in unserem Rigg gesehen, ist ihr das Herz in die Hose gesackt.

So stehen wir da, unfassbar mit Wortlosigkeit geschlagen. Um uns im Abstand von einigen Sekunden immer wieder und wieder neue Blitze, ins Dorf , in die Berge auf Inseln und Menschen. Es knallt und blitzt und erscheint als wuerde die Welt jetzt untergehen. Wir sind tatenlos, als dass wir daran denken, Computer, GPS und VHF in den Backofen zu schieben um das schlimmste zu vermeiden. Kawumm! Noch einer. Gleiche Stelle, wieder Funkenspruehen. Natale sackt in meinen Armen zusammen. Es ist schwer diese paar Sekunden mit Worten zu beschreiben. Ich zitter am ganzen Koerper, meine Zaehne klappern wie gespenstisch zusammen. Ist das alles wahr, oder traeume ich?

Das war es. Ende unserer Traeume, Ende unsere Reise. Diese Schaeden koennen wir niemals finanzieren, schwebt in unsere Koepfen. Zwei vollkommen leere Gesichter und Augen schauen sich an.

Zehn Minuten spaeter. Wir haben schnell noch alles in den Backofen gepackt, was wir greifen koennen. Natale fragt laut: Warum wir? Warum kein anderes Boot. Warum wir, zweimal hintereinander? Immer noch am heulen, immer noch verzweifelt. Das Inferno geht noch bis gegen vier und wird irgendwann weniger. Auf dem Vordeck riecht es nach Schwefel, verbrannt, aber wir koennen mit der Taschenlampe nichts erkennen.

Wir testen oberflaechig, Computer, Kurzwelle, Satelittenverbindung und starten den Motor. Es hat den oberflaechigen Anschein, als wenn wir nichts abbekommen haetten. Es ist unglaublich. Es muss ein kleiner Blitz gewesen sein, der durch die Wanten direkt ueber den Stahlrumpf ins Wasser abgeleitet wurde. Ich weiss nicht. Bis um fuenf Uhr sitzen wir in der Plicht, koennen eh nichts machen, trinken Rum um unsere Nerven wieder zu beruhigen. Spaeter werden wir sehen ob wir wirklich mit Gotts erhobenen Zeigefinger weggekommen sind.



  • 04:33
  • 05.11.2002
  • 09°26.75'N, 078°34.88'W
  • Corazon de Jesus/San Blas
  • 26,2°C
  • VAR 1
  • -

LOGBUCH ARCHIV

November 2002
M T W T F S S
« Oct   Dec »
 123
45678910
11121314151617
18192021222324
252627282930  

Mit dieser Website wollen wir Dir, liebe Leserin, lieber Leser, die Welt und unsere Reise ein Stück näher bringen. Deine Spende hilft uns, das weiterhin zu tun.