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Wieder im Krankenhaus

Der Traum von der Heilung

Nachdem die MARLIN nun sicher vertäut ist, bin ich wieder für ein paar Tage in der Heilanstalt, dem Heilerhaus, der Besserungsstation, wie auch immer man dieses Gebäude mit den vielen Betten nennen mag. Mir zugeteilt ist diesmal Zimmer 6321. Das Nachbarbett ist leer. Wer also noch keine Bleibe hat bis Sonntag, ist herzlichst eingeladen sich mein Schnarchen anzuhören. Natürlich nur unter Vorbehalt. Kann ja jederzeit ein anderer Bedürftiger, ein anderer zu Heilender auftauchen. Ich lache. Noch. Der Grund meines erneuten Aufenthalts ist die planmäßige zweite Konsolidierung, also Chemotherapie. Die zweite, von dreien. Vorgestern hat der leitenden Oberarzt eine Knochenmarksprobe aus meinem Hüftknochen gebohrt. Ich in Kurznarkose, da konnte er voll zustechen. So sehr, dass ich davon geträumt habe. Manchmal ist das ganze Leben wie ein Traum oder mir kommt es zumindest so vor. Unter dem Mikroskop werden keine Blasten, Tumorzellen im Blut, mehr gefunden. Bin ich geheilt? Es ist wie mit jedem Krebs. Er kann wieder kommen. Morgen, in einer Woche, in zwei Jahren oder in zwanzig. Gut. Sterben werden wir alle. Irgendwann. Cytarabin fließt tropfenweise in meinen Körper. Heute, Morgen, bis Sonntag. Dann All-Trans Retinsäure, weitere zwei Wochen als Tabletten zu Hause. Die grade gewachsenen Haare fallen dann wieder aus. AML heißt meine Leukämie. Westerwelle hatte auch AML, wollte zwanzig Jahre, schaffte zwei. Der Traum von der Heilung, der Traum vom Überleben dem Sieg gegen den Krebs. Ich muss zugeben, ich habe mich während meiner letzten Therapiepause abgelenkt, meine AML verdrängt, mich um MARLIN gekümmert, bin auf die Azoren geflogen und habe jede Minute mit meiner Familie genossen. Jetzt, wo ich wieder im Geheiltenzimmer sitze, werde ich wieder nachdenklich, greife zu Stift und Papier, besser Tastatur und Notebook, hier fällt es schwer sich abzulenken. Theoretisch bin ich gesund. 99,9% der Blasten sind entfernt, keine neuen sind nachweisbar. Die Konsolidierung soll die verbleibenden 0,1% behandeln. Ob nun Cytarabin oder All-Trans Retinsäure, beide Stoffe sind aggressiv mit vielen Nebenwirkungen, greifen Leber und Gehirn an. Da gibt es eigentlich nichts weiter zu diskutieren. Wie lebt man am besten mit dieser Krankheit? Es gibt nur eine Antwort: „Genieße jeden Tag und lebe für den Moment.“ Dieser Antwort folge ich, wenn ich grade nicht im Geheiltenhaus bin. Ich trinke gerne einen guten Wein, konsumiere bei positiver Stimmung zu blauem Himmel und guter Laune ein paar Krümmel lustiger Kräuter, koche für Freunde, treffe Bekannte und rede immer weniger über meine Krankheit. Gut so. Das Leben ist zu kurz, als dass man es zu ernst nehmen sollte. Ich übe mich selbst darin, einem möglichen Tod im o.g. Zeitraum möglichst wenig Bedeutung zu geben. Von Jetzt bis Sonntag ist das eine besonders schwere Aufgabe, denn dem blühenden Leben begegnetet man im Geheiltenhaus weniger oft. Da geht die Tür auf und Nathalie stolziert im Kellnerinnenschritt zu dem kleinen runden Tisch am Fenster, an dem ich vor meinem MacBook sitze und die Zeit mit diesem Post vertreibe. „Hallo Schatz!“ Ich bekomme ein Kuss, ein paar Streicheleinheiten von Frau Doktor, die das blühende Leben an sich darstellt. Draußen regnet es. Wen interessiert es? Wird schon. Meine Behandlung, meine Heilung ist Bestandteil unseres Familienlebens geworden. Nathalie hat nicht unerheblich dazu beigetragen. Weder sie noch die Onkologen, weder Menzel noch Sabrina oder Petra, wie sie auch alle heißen. Keiner schaut mich sorgenvoll an. Auf der MARLIN würde ich sagen. „Wir können Kurs anliegen. Das Tief liegt hinter uns. Zu meinem Geburtstag werden wir Land sehen und zum Jahresende in den sicheren Hafen einlaufen.“



  • 18:29:00
  • 17.11.2016
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