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- Dschungel
Kontrastprogramm
Alltagsleben in Havanna
Nur 30 Flugminuten trennen Cayo Largo von der Millionenstadt Havanna. 30 Flugminuten in einer kleinen Propellermaschine und schon ist das seichte Plätschern der Wellen, das Rauschen der Palmwedel, die Stille der paradiesischen Cayos Vergangenheit. Nach einem späten Abendessen liege ich im quietschenden Bett meines Casa Particulares und lausche den Geräuschen der Großstadt. Die Fenster haben keine Scheiben, lediglich Holzlamellen zur Regelung des Lichteinfalles. Ungefiltert dringen Straßenlärm, die keifende Nachbarin, das klingelnde Telefon gegenüber, die klackernden Absätze der Passanten und der krähende Hahn in das Zimmer. Willkommen in der Zivilisation. Meine Mutter kommt erst am Nachmittag in Varadero an, es bleibt Zeit genug für eine erste Erkundung der Nachbarschaft im Viertel Vedado. Vedado ist nicht die Havanna Vieja, ist nicht sorgfältig restaurierte Altstadt, sondern das echte Cuba. Im Park nebenan turnen morgens die Senioren der Umgebung um die steifen Knochen zu lockern, spielen nachmittags die Kindern und küssen abends die Jugendlichen. Im Agropecuario kaufe ich Möhren, Radieschen, Tomaten und sorge mit meiner Info über den Ananaspreis auf Cayo Largo, 4 Euro das Stück, für das heutige Thema des Marktklatsches. Unzählige kleine Geschäftsideen verstecken sich in Fenstern, Hinterhöfen und Terrassen. Ob Nagelstudio, Pizza, Torten oder frische Fruchtsäfte, jede Möglichkeit wird genutzt, noch ein paar Peso hinzu zu verdienen und jeder freut sich, wenn man für einen kleinen Schwatz stehenbleibt. In den Vorgärten und Hauseingängen sieht man die Anstrengungen der Kubaner, gegen den langsam fortschreitenden Verfall der Bausubstanz anzukämpfen. Blumentöpfe, Rankenpflanzen verbergen den bröckelnden Putz, ein bisschen Farbe hier und da konserviert, im nächsten Haus reicht das Geld für ein paar bunte Vorhänge gegen tristes Grau.
Verlaufen kann man sich kaum in Vedado, alle Straßen sind durchnummeriert, Calle 19, 21, 23, Ecke C oder D. Auf der Calle 19 lacht mich das Schild eines Schreiners an. Das habe ich gesucht. Mit der Zeichnung von einem kleinen Holzkeil, notwendig zur Anbringung eines Tisches im Pilothouse, entere ich die Werkstatt in einer kleinen Villa. Der Inhaber, mehr Innenarchitekt als Schreiner, fertigt mit zwei Mitarbeitern Rahmen, Spiegel, Stuck und andere Feinheiten. Mit soviel Liebe, als sei es der Rahmen für ein Familienfoto, widmen sich die drei meinem Anliegen. Es gibt Kaffee in kleinen Tässchen, viele Tipps für das Nachtleben von Cuba, Touristenanteil garantiert unter 10% und das Versprechen den Auftrag bis morgen zu erledigen.
Ein Vormittag in Havanna, ohne ein Museum, ohne Buena Vista Social Club oder Zigarren, aber voller Leben. Und jetzt geht es zum Flughafen, den Besuch abholen.