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Geburtstag

Gletschergeister

Nach dem gestrigen Jahrhundertag begrüßt uns der Himmel heute wolkenvergangen, doch das ist uns und vor allem Lena egal, denn sie hat heute Geburtstag. Geburtstag auf der Lady beginnt traditionell mit Kuchen, Kerzen und Krone zum Frühstück und natürlich mit Geschenken. Doch einen Teil der Geschenke hat der polternde Gletschergeist mitgehen lassen und irgendwo in den umliegenden Wäldern versteckt. Es rumpelt zwar immer wieder gewaltig aus der Gletscherrichtung, aber einen Hinweis bekommen wir so schnell nicht zu sehen. Micha und ich mutmaßen laut, dass es mit den Geruchsausdünstungen der Crew zu tun haben könnte und rüsten zur wöchentlichen Warmwasserdusche. Motor an, damit das Wasser warm wird, dann die Kuchenbude aufbauen. Der Gletscher schickt seinen Eisatem Richtung Ankerplatz, ganze drei Grad Celsius messen wir, keine angenehmen Außentemperaturen zum Duschen. Durch die Kuchenbude können wir die Temperatur auf kuschelige zehn Grad anheben und kurze Zeit später duftet die gesamte Crew nach Schampoo und Conditioner. Das scheint wohl auch dem Gletschergeist zu gefallen, der sein erstes Hinweisschild an die Cockpittür hängt und die Kinder auf die Suche nach dem verlorenen Schatz schickt. Mit dem Dinghi paddeln, kreuz und quer durch die Wildnis, bis endlich die geklauten Geschenke, ein Fernglas und ein Taschenmesser, in einem alten Baum mitten im Wald entdeckt werden. Zum Abschluss der Expedition gibt es ein großes Lagerfeuer mit Stockbrot, Apfelsaft und Bier.

Kindergeburtstag am Fuße des Gletschers. Ein bisschen Sorgen habe ich mir schon manchmal gemacht, ob so ein Tag in der Einsamkeit mit den aufregenden Geburtstagen im Kindergarten, mit der Familie und im Kreise der Freunde mithalten kann, doch die Sorge war unbegründet. Das Geburtstagskind schläft selig mit dem Fernglas im Arm.

Gletschergeister 2

Trotz Geburtagsparties steht noch der Bericht über die Einfahrt in den Seno Pia aus. Aus dem leicht geklärten Wettermorgen wurde ein strahlend blauer, wunderschöner Tag, wie es sie hier, selbst im Sommer, wohl nur selten in Feuerland gibt. Bei absoluter Windstille und spiegelglatten Wasser tasten wir uns durch die trickreiche Einfahrt in den Fjord, werden von Seelöwen, Delfinen, Kormoranen und Eisschollen begrüßt. Die Kinder kramen ihre Kescher raus und gemeinsam fischen wir mehrere Brocken feinstes Gletschereis aus dem Wasser um Apfelsaft und Cuba Libre on the Rocks zu produzieren. Der Autopilot navigiert uns Richtung Gletscher, während wir frische Brötchen aus dem Ofen zu unseren Getränken futtern.

Die Wolken lösen sich mehr und mehr auf, das Blau des Himmels verdichtet sich, die schneebedeckten Berge leuchten im Sonnenlicht. Die Eisschollen im Wasser werden dichter und dichter, je näher wir uns dem Gletscher nähern und plötzlich ist er da. Der Ventisquiero Romanche, riesig, kalt, teils blau leuchtend, teils von Gesteinsschutt bedeckt. Die Wassertiefe hindert uns daran, der Gletscherkante zu nah zu kommen. Doch das Wetter erlaubt es uns, den Anker kurz vor der Eisgrenze fallen zu lassen und den Gletscher mit dem Dinghi zu erkunden. Im Gletscher knackt es unaufhörlich, es rumpelt und grollt, ein unheimliches Gefühl. Der Gletscher, die Eiskante, ist so groß, man kommt sich schrecklich klein vor, und seltsame Gedanken über Lawinen, kalbenden Gletscher und sonstige Katastrophen kommen einem in den Sinn. Der Magen zieht sich zusammen, die Seele wird ganz klein, ob dieser Naturgewalten, denen man sich gegenübersieht. Die Sonne lässt sich nicht beeindrucken, sie scheint gnadenlos auf den Gletscher und leuchtet jede Spalte, jede Eisscholle perfekt wie in einem Kinofilm aus. Am Rande des Gletschers lockt ein feiner Sandstrand, Eisbrocken sind hier gestrandet und laden die Kinder zum Spielen ein. Von hier aus sind wir schnell am Fuß der Gletscherkante, immer näher kommt das leuchtende Blau und man schwankt zwischen dem Wunsch sich zu nähern und ganz schnell das Weite zu suchen. Immer wieder rumpelt es und Eisbrocken brechen von der Gletscherkante ab in den Fjord, weit entfernt, aber dennoch, das Rumpeln lässt die Erde, auf der wir gehen, erbeben. Soviel Naturgewalt macht uns sprachlos. Etwas kleinlaut und eingeschüchtert machen wir uns auf den Weg zu dem geschützten Ankerplatz in der Caleta Beaulieu. Hier, zwischen Bäumen und lieblichen Felsen, ein Asado am offenen Feuer genießend, könnte man fast vergessen, wie gewaltig der Gletscher ist, würde er uns nicht in regelmäßigen Abständen durch sei Grollen daran erinnern.



  • 11.03.2012
  • 54°47.6605'S, 069°37.6728'W
  • -
  • Caleta Beaulieu / Canal Noroeste / Chile
  • Canal O’Brien / Chile
  • 5-10kn,NE
  • 0m

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