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Sturm Resümee

Kurs Kapstadt liegt an

Skipper Mischa / Leise schnarcht Steffi in der Kuschelecke. Ich sitze mit meinem MacBook auf dem Salonboden, an den Bordwänden gluckert und rauscht der Südatlantik vorbei. Ich habe die Eberspächer Heizung angemacht. Ein Warmluftauslaß ist direkt neben mir. Sobald ich mich an den Bordrechner am Kartentisch setzte, überfällt mich ein stechender Schmerz in der Schulter, der in den rechten Arm zieht und mir die halbe Hand betäubt. Immer noch Segelarm? Hier auf dem Boden des Salons ist es besser. Überhaupt der beste Platz im Boot um zu schreiben, ohne dass es einem schwindelig wird beim Aufenbildschrimgucken.

Irgendwo macht es „Kling“ bei jedem Überholen der LADY. Ein paar Minuten suche ich, dann gebe ich auf. Jetzt macht es „Klong“, es knarrt. Es reicht, ich stecke mir die Ohrstöpsel rein und schalte den Sound an. Ruhe. Wir haben es geschafft Poldy. Das Deck ist, wie gesagt sauber und ich weiß jetzt, es ist auch fast dicht. In den letzten 48 Stunden hat uns der Südatlantik ein ausgiebige Lektion in das Thema „Extrem High Violent Sea-Waves“ gegeben. Fazit: Keiner will nach Brasilien abdrehen und alle sind sich sicher, dass die IRON LADY das absolut sichere Boot ist. Keiner möchte hier und jetzt auf einer Bavaria oder sonstigen Plastikschüssel sitzen. Am heutigen Morgen hat der Südwind seinen Zenit in Stärke und Brutalität erreicht, was sicherlich auch mit der Gegenströmung zusammenhängt. Um etwa zehn Uhr hatten wir sieben Meter hohe Wellenberge mit fast senkrechten Flanken, die sich in den Spitzen gebrochen haben. Immer wieder sind die drei Sisters, drei besonders hohe Wellen in Reihe hinter uns aufgetaucht, haben uns hoch gehoben und vor sich hergedrückt. Daisy hat die Wellen mit ca. 30° von hinten genommen. Bis es plötzlich laut kracht: Eine Umlenkrolle von Daisy ist gebrochen. Während Michael den Schaden behebt, übernehme ich die Pinne. Mir wird ein bisschen schlecht bei der Vorstellung Daisys Arbeit zu übernehmen. Ich habe pure Angst, dass mir die LADY querschlägt und durchkentert. Enorme Ausschläge mit der langen Pinne sind notwendig um die langen, hohen Ritte durch und über die Wellenkamme und Wellentäler zu kontrollieren. Breitbeinig stehe ich im Cockpit, den Körper und Blick nach Achtern, mit der Pinne in beiden Händen und halte die LADY auf Kurs. Genau im rechten Winkel vor den Kawensmännern.

Unser Stromproblem der letzten Passagen haben wir ja bekanntlich mit den neuen Solarpanels gelöst. Doch das war nicht der ganze Streich. Ich habe den alten Schleppgenerator, den ich mal vor 15 Jahren beim ShipShop gekauft habe, ausgegraben. Mit einem dreißig Meter langen Tampen, den ich auch gerne im Hafen zum manövrieren mit Wind nehme. Nun, die Turbine haben wir in die Heckreling gebunden und den schweren Edelstahlpropellor, der schwarze Lack verziert von unendlichen Haiangriffen, die das Ding für einen Seehund hielten, ziehen wir seit Tagen hinter uns her. Ein Ampere, ein Knoten und das 24h. Ich glaube, wir haben Johann, den Motor seit Abfahrt eine Stunde angehabt und heute mal um zu sehen, ob er überhaupt noch geht. Jetzt sind wir besonders froh den Schlepp-Propeller dran zu haben. Beim Runtersurfen der Kawnsmänner, baut der Propeller einen unheimlichen Druck auf, die Leine zur Turbine strafft sich und zieht das Heck der LADY in 90° zu Welle. „Hehe!“ Das war ja eigentlich die Idee, warum wir die Autoreifen an Deck fahren, um die bei Schwerwetter hinter uns herzuziehen und das Heck der LADY durch die sich brechenden Wellenkämme. „Schleppi macht das prima und erzeugt dabei auch noch Strom.“

An der Pinne bekomme ich dicke Arme. Doch nach einer viertel Stunde merke ich, dass ich die Situation besser im Griff habe, als Daisy. Gut, nicht so ausdauernd für Stunden, Tage, Wochen, aber ich kann vorausschauender steuern, sehe am Horizont schon die nächsten drei Wellen und kann mich darauf einstellen. Micha verzeiht sich ins Innere der LADY um einen neuen Block zu suchen, ich bekomme deutlich Spass daran die LADY die Wellen runtersurfen zu lassen, schrei gegen den Wind an. „Nein, ihr bekommt mich nicht. HOPA!“ Nach vorne schauen kann ich dabei nicht. Keine Ahnung ob die LADY mit der Nase in die Wellen taucht, die Gefahr bei so was, kopfüber durchzukentern ist nicht unerheblich, doch was soll ich machen? Ich kann auch nicht aufs GPS schauen um zu sehen wie schnell wir sind, denke aber mal weit mehr als 12 Knoten. Zwei Brecher landen im Cockpit, als ich am Nachmittag die Situation reproduziere und Stefan und Andy die Pinne in die Hand drücke, bei etwas weniger Welle um das Erlernte weiterzugeben. Wir haben alle dick Spaß in den Backen und sind nass bis in die Ritze. „Doch Gummistiefel“ Ich wusste, ich werde da wohl nicht drum herum kommen. Ich nenne mein „Blauwassertraining“ kurzerhand um in „Schwerwettertraining“, wir üben Ablaufen, den Einsatz von Windsteueranlage und am Nachmittag als die Wellen noch mal zulegen, ein Stunde Pause „Beigedreht“. Andy bleibt im Cockpit sitzen und ich höre ich nur „Boah. Wow. Uhhaa! Ist die Groß. Meine Halle ist acht Meter. Die war größer.“ Die Welle lässt langsam aber sicher nach, der Wind dreht leicht westlich. Wir können Segel setzten und Kapstadt zum ersten Mal seit Beginn der Reise anliegen. Wir haben es geschafft. Ein Block, den Michael schnell ausgewechselt hat. Ein Bierglas voll Wasser in der Bilge. Zeit für ein Dankeschön an die Crew. Aus den Tiefen der Bilge zaubert mein 1st Mate eine Flasche Havanna Club und jeder bekommt eine Finger breit. „Aber nur bei abgewettertem Sturm.“ Das sitzen meine Helden. Mit nassen Haaren, nassen Klamotten, etwas weiß um die Nase und schauen auf die Wellen die sich immer noch alle paar Minuten Kniehoch über das Vordeck ergießen. Die Latte liegt einige Dezimeter höher. Wir alle wissen jetzt was wir und vor allen Dingen das Schiff abkann. Nicht unbedingt schlecht für den nächsten Wetterbericht von Poldy, wenn es heißt: „30 Knoten aus Süd!“ „Kennen wir schon. Werden dann doch 45, mit Welle gegen Strom.“



  • 08:01:00
  • 11.11.2010
  • 34°21.6690'S, 049°18.7290'W
  • 111°/5,6kn
  • South Atlantic
  • Cape Town, South Africa
  • 16°/1017hpa 3/8
  • 11°
  • 15-20kn/S
  • 5-7m/S

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