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Angeltour

Martin

Um fünf Uhr in der Früh hebe ich den Anker um Martin am Steg in der Stadt aufzunehmen. Martin und ich wollen heute Ilha George Grego, etwa 2einhalb Stunden entfernt und vorm den Strand Loupes Mendes gelegen. Martin ist der Eigentümer des Cafes do Mar und passionierter Angler. Nun, wir sind gespannt. Martin braucht vor allen Dingen mal eins. Einen Tag Off.

Langsam taste ich mich an den Steg der Touristenboote, weil ich keine Ahnung über die Wassertiefe am Steg habe. Mit nem Stahlboot kein großes Problem. Bei Bodenberührung machen wir maximal mal den Kiel frei von Bewuchs. Trotzdem achte ich bei so Aktionen immer darauf, dass bei auflaufender Tide zu machen und natürlich nur bei Sandgrund. Abraao schläft noch.

Martin kam vor etwa vier Jahren nach Abraao. Mit Claudia, seiner Frau, einer in Köln aufgewachsenen brasilianischen Architektin. „Kennengelernt haben wir uns in Dresden. Claudia hat dort studiert und ich bin Sachse!“ Das Grinsen auf Martins Gesicht zieht sich über sein ganzes Gesicht. Der 37jahrige erfolgreiche Auswanderer, hat sein neues Zuhause auf der Insel. „Hier gibt es keine Autos, meine Kinder können jederzeit auf die Strasse, sprechen Portugiesisch und Deutsch. Als ich mit 8000 Euro meiner Familie und 90kg Gepäck hier ankam war erst mal alles sehr schwer. Ich hatte eine Jobzusage als Manager für eine deutsche Pousada, doch diese Zusage hat sich in Luft aufgelöst, als ich hier war. Es hat in Strömen geregnet, wir haben alle in der halbfertigen Wohnung gelebt und eine große dunkle Wolke hing über uns. Ich dachte, es geht alles den Bach runter und habe mich schon wieder im Flieger nach Deutschland gesehen.“ Martin lacht, schnippt mit dem Finger, damit eine seiner fünf Angestellten der Bar uns ein neues Bier bringt. „Und wie hat sich der Knoten aufgelöst?“ frage ich neugierig.

Es ist noch dunkel, zwei Leinen hinter der LADY warten auf Fisch. Wind ist keiner da. Nur der Fahrtwind auf die Nase und 1,5 Meter Schwell von vorn. Martins Nase bleibt hautfarben. „Micha ich hab gestern bis zwei gearbeitet und nur zwei Stunden geschlafen. Nicht wundern wenn ich gleich mal wegknacke.“ „Kein Problem Martin“, ich kann dieses Boot auch alleine an fast jeden Platz dieser Welt bekommen. Im Notfall auf nem Tieflader.

“Nun, das ging dann relativ schnell mit dem Knoten. Ich hab das Angebot bekommen die Bar zu übernehmen, wo jetzt das Cafe do Mar steht. Dann war es vor allen Dingen eins. Viel Arbeit. Ich habe alles selber gemacht. Rohre gelegt, Küche gebaut. Am Tag X der Eröffnung habe ich das Dorf eingeladen und seit dem läufst.“ Du hast alles richtig gemacht. Die Bar liegt direkt am Strand, ein alter Baum spendet Schatten am Tag und alle Backpacker vom Anlegersteg auf dem Weg zum bekanntesten (Lonely Planet) Hostel kommen hier täglich vier Mal vorbei. Jetzt musst Du nur noch Knoblauch in heißes Öl legen und der Duft macht ihnen Hunger. Dazu Lounge Musik, gedämpftes Licht und ein offener Grill mit frischem an drei Tagen in der Woche. Martins „Cafe del Mar II“ (davon hat er den Namen übernommen) brummt, auch in der Off Season, auch wenn alle anderen zu haben. „In der Saison habe ich hundert Teller an einem Abend.“ Ich nicke. Bin zwar kein Gastronom, aber zwei und zwei zusammen zählen kann ich auch.

Es beisst kein einziger Fisch bis wir in der geschützten Bucht am Punta Cargarra. Wir haben die romantische Bucht für uns. Weiter draußen ankert ein Fischer. Grundangeln ist nun angesagt. Martin zieht auch direkt drei kleine Fische an Bord, die wir aber wieder ins Wasser schmeißen. Die Sonne hält sich etwas hinter den Wolken und als keine 5kg schwere Zackenbarsche anbeißen, verzieht Martin den Mund, legt sich hin und schnarcht friedvoll. Ich nutze die Zeit um ein bisschen was auf dem MacBook zu schreiben. Außer den Vögeln über uns, dem Rauschen der Wellen an den Steinen und dem bisschen Wind was über die Felsen von George Grego zieht hört man nichts.

“Ist es denn besser als in Deutschland?“ Martin grinst wieder. „Klar Alter. Schau doch mal aufs Meer. Ist Dir kalt? Schmeckt die Caipirinha? Die Jungs in Deutschland sind anders gewickelt, so sagen wir in Dresden. Bevor ich in Brasilien Wurzeln gefasst habe, habe ich vier Jahre In Chile gearbeitet, Mess- und Regeltechniker. Da gehst Du zur deutschen Handelskammervertretung und schon hast Du einen Job. Dort habe ich Spanisch gelernt. Nun ich hab auch nen bisschen Glück, ich habe die richtige Frau. Meine Claudia hatte den selben Plan. Anstatt als Architektin, erfolglos mit tausenden anderen Architekten dann doch irgendwo zu jobben, hat sie unsere Pläne genau so vorwärts getrieben wie ich. Klar möchte sie gerne in ein paar Jahren, wenn die Kinder größer sind mal etwas mehr Richtung Stadt, wieder in Ihrem Job arbeiten, Anerkennung finden. Aber für jetzt ist alles gut. Meine Kinder sind anderthalb und sechs. Die schönste Zeit. Außerdem ist sie brasilianischer Abstammung und irgendwie ist das schon im Blut.“

Später ziehen wir uns die Flossen und Schnorchelbrillen an und schauen uns die Unterwasserwelt von George Grego an. Ich nehme mal vorsichtshalber die Harpune mit und als ich ein paar Hundert Meter mit mäßiger Sicht um die Ecke der Bucht komme, zieht mich die starke Strömung ins offene Meer. Hopa! Ich drehe schnell um und muss ordentlich strampeln um wieder aus der Strömung zu kommen. Jetzt mache ich mir Sorgen um Martin, den ich verloren hatte. Hmm. Nervös sitze ich fünf Minuten auf dem Boot und halte Ausschau. Ach, da hinten sehe ich ihn. Puhh! Gott sei Dank.

“Nun Martin, es kann ja nicht alles Gold sein hier. Sonst wären doch schon andere hier.“ „Klar Micha, da hast Du vollkommen Recht. Ich arbeite im Moment Doppelschicht. Sechs Tage die Woche. Ich muss hier sein. Amir war der einzige, dem ich wirklich absolut vertrauen konnte. Er war mein Manager. Aber der ist ja nun segeln gegangen und wenn er wiederkommt, will er bestimmt nicht wieder Vollzeit arbeiten. So bin ich von 10 in der Frühe bis 2 in der Nacht hier. Dirigieren. Zwei Mal die Woche bin ich in Angra, einkaufen, Fisch, Fleisch, alles was wir brauchen. Ich arbeite bis zu 16 Stunden am Tag. Das macht kein Brasilianer!“ „Nep, nur nen verrückter Deutscher aus Dresden. Aber ich denke es geht Dir ganz gut. Du musst vor allen Dingen da sein und schauen, dass alles in den richtigen Bahnen läuft.“ „Ja, wenn ich nicht hier bin, geht der Respekt der Mitarbeiter flöten. Und auch meine Kunden wollen mich sehen.“

Martin ist nervös, immer noch keinen Fisch gefangen zu haben und ich stelle mich in die Küche und zaubere Penne mit Filetstreifen. Essen hilft immer bei missmutiger Crew. Martin geniest diesen Tag. „Ne Martin, Du must nix machen, nicht kochen, nicht spülen. Nur fischen. O.k. Hier. Dann mach eben mal den Knoblauch.“ Nach dem Essen schnalle ich das Dinghy auf dem Vordeck fest und ab Richtung Heimat geht es um die wunderschöne kleine Insel. Leider wieder kein Segelwind nur alte Welle und der Daimler schiebt uns die teils drei Meter hohen Wellen und wieder runter. Ich fahre ganz nah unter Land um die Erfolgs Chancen für Martins Fischfang zu erhöhen. Aber es klappt einfach nicht. „Martin noch nen Bier?“

“Und klappt es denn mit der Kohle?“ Martin grinst wieder. „Ja! Klar, ich muss hart arbeiten aber ich mache auch richtig Geld. Es bleibt ordentlich was unterm Strich stehen und ich habe vor einem Monat nen Kebab Restaurant eine Strasse weiter im Dorf aufgemacht. Mal schauen, wie sich das so entwickelt.“ Martin hat gut lachen. Er hat das gemacht, wo viele von träumen. Und er hat es eindeutig geschafft.

Der Anker fällt wieder an meinem Platz vor Abraao, drei Dinghyminuten vom Dorf entfernt. Wir haben keinen Fisch gefangen, aber viel gelacht, viel Spaß gehabt und wenn Martins Kinder mal groß sind, dann will er mit mir von Buenos Aires nach Kapstadt segeln. Neues Ziel. Die Frage ob ich diesen Trip dann noch anbieten werde. Unwahrscheinlich, aber wer weiß?



  • 22:30:00
  • 14.09.2010
  • 23°08.3200'S, 044°09.4201'W
  • 0°/0kn
  • Abraao, Ilha Grande, Brazil
  • Argentinien
  • 20°/1021hpa/Stars
  • 19°
  • 2kn/NE
  • 0,5m

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