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Lebenszeichen aus Knysna

Lebenszeichen aus Knysna

So. Die Weiber sind wech und morgen im Flugzeug nach Old Germany. Heimaturlaub. Ich bleibe noch vier Wochen in Knysna, mich um die Arbeiten an der LADY kümmernd, die sich mit Besatzung nicht ausführen lassen. Natale hat sich so sehr über Mama gefreut, dass sie volles Programm aufgefahren hat. Südafrika im Schnellkurs, Capetown in zwei Tagen. Mit dem roten Touribus, den Tafelberg hoch, Waterfront und Shoppen nicht zu vergessen. Warum sind Mütter und Töchter eigentlich immer so unendlich glücklich, wenn Sie zusammen shoppen gehen? Mehr dazu kann ich wahrscheinlich in zwanzig Jahren erzählen. Ja und da blieb gar keine Zeit Logbuch zu schreiben, trotz vieler guter Vorsätze... So was, wo Freundinnen und Familie doch jeden Tag verzweifelt clicken. Aber mit zwei kleinen Enkeltöchtern verteilen sich die Prioritäten eben anders. Verständlich.

Warum müessen Frauen eigentlich immer mehr Gepäck mitnehmen als sie selbst schleppen und heben können? Diese Frage schwirrt mir seit der Fahrt nach Kapstadt auch im Kopf rum. Mann - wird dann zum Packesel, die Damen setzten den Dackelblick auf und die beiden Frau Töchter werden nicht besser werden. Ach Du meine Güte, da kommt ja noch was auf mich zu. Aber hab ich mir ja selber eingebrockt.

Ich, meine neugewonnene Freiheit genießend, ziehe am Samstag morgen aus und verlege in eins der vielen anderen Backpackerhotels. Zu Fuß erkunde ich die Stadt, finde endlich mal Zeit mich alleine in ein Cafe zu setzten, ohne immer zu schauen welche Sauerei sich Maya gerade auf dem Tisch ausdenkt und ohne auf irgendwelchen Minitoiletten Extrem-Windelwechselsport zu treiben. Es gibt es noch, das Leben ohne Blagen. Prima. Das sollte ich jetzt genießen. Am Abend ziehe ich durch die Kneipen der Longstreet, anfangs allein in den Kaschummen, die die Weissen nicht alleine betreten, kurze Zeit später habe ich den Rasta Lucky am Bein. Lucky erzählt mir alles was ich wissen will und auch vieles was ich nicht wissen wollte. Lucky kommt aus Johannesburg und sucht Arbeit nun in Cape Town. Eigentlich ist er Baseball Trainer und professioneller Spieler. In Joburg, der besseren Stadt, betreut er 150 Kinder. Von denen sind 100 HIV positiv auf die Welt gekommen, Geld für die Medikamente, die in Europa erfolgreich benutzt werden um HIV wenigstens zu stoppen kann sich in SA keiner leisten und die Schwarzen schon mal gar nicht. Es gibt ja auch Wichtigeres zu tun. Packen wir es an. Die nächste Fussballweltmeisterschaft soll in Südafrika stattfinden. Da muss das alte Fussballstadium abgerissen werden, der Golfplatz muss weichen, ein neues, größeres muß her. Aber auch kosmetisch will sich Südafrika verändern. An den Rändern der Autobahn werden die Slums, die Town Ships der Schwarzen platt gewalzt. Da kommen jetzt schicke Sozialbauten hin. Zumindest so weit wie die Touristen sehen können. Im Moment fährt man bei der Einfahrt nach Cape Town noch durch 30km Slums rechts und links der Autobahn. In der Stadt wird viel gegraben. Statt AIDS Medikamenten für Millionen von HIV Infizierten werden Kilometer für Kilometer Kabel verlegt um Überwachungskameras an allen Häuserecken zu installieren. Die gesamte Partyzone um die Longstreet ist schon ferngesteuert. In den Nebenstrassen warten privatisierte Polizeieinheuten, mit Schusssichern Westen und bewaffnet bis unter die Kinnspitze. Big Brother is watching you. Alle 25 Meter steht ein Aufpasser. Berittene Polizei in den Fußgängerzonen. So hat Capetown die Nutten in die Vorbezirke vertrieben, die Dealer in ihre privaten Wohnungen und kann jederzeit reagieren, damit ja nichts nach Außen kommt von der Spannung die hier herrscht. Die Entscheidung der FIFA steht ja nun und die Südafrikaner geben sich alle Mühe der Welt um ihr Crime-Problem in den Griff zu bekommen.

Luky erzählt mir mehr. In Johannesburg ist alles anders. Die wahre Hauptstadt und die Stadt der Schwarzen. Wir stehen eng gedrängt in einer schummrigen Bar, R&B dröhnt laut aus den Boxen, die Fernseher laufen, in jeder Ecke einer, um den Billardtisch eine Gruppe unfreundlich schauender Farbiger. Ich lächel einfach mal, schüttel die ein oder andere Hand, Fäuste werden zum Gruß aneinandergedrückt die Daumen berühren sich, die Hand geht zum Herz. Das haben wir schon auf den Kapverden vor ein paar Jahren gelernt. More Fire! Ich bin der einzige Weisse in der Bar mit fünzig Gästen. Lucky klärt mich auf. Ich brauche mir keine Sorgen machen. Meine Haut ist nicht weiss genug, man sieht mir an dass ich kein >>Africanse Weisser<< bin. Das hab ich schon öfters gehört. Ich frag noch mal nach. Weiss ist eben nicht weiss. Die Schwarzen unterscheiden in englischsprachige Einheimische, die weitestgehend akzeptiert werden, in Africanse (holländisch) sprechende Einheimische, die sie hassen wie die Pest, weil das die Nachfolger der alten Kolonien sind und die Schwarzen wie Dreck behandeln und die weißen Ausländer, die Touristen, Leute die wie auch immer, ihr Geld in Süd Afrika investieren, werden hochgeachtet. Ein >>Africanse Weisser<< würde sich niemals in diese Bar trauen.

Scenenwechsel. Ich stehe neben Lucky im >>Cool Runnings<<, der Jamaican-style Bar, voll mit Rastas, Schwarzen und Weissen. Vor allen Dingen Blonde, weisse Touristinnen sind es, die auf der Fangliste der Black Local Boys stehen. Oder ist es anders herum? Stehen die hübschen Boys auf den Fanglisten der Blondinnen? Cape Town ist bekannt für sein Gay- und Frauensextourismus. Mir soll es recht sein. Ich bin eh nicht nur einen Kopf größer als die meisten Young Stars im >>Cool Runnings<<, ich bin auch 23 Jahre zu spät. Ich mein, ich bin hier der Opa, dass könnten alles meine Söhne und Töchter sein. Ich trinke mein Bier aus, es ist spät geworden. Ich wanke ins >>Joburg<<. Hier tanzt Schwarz und die paar Blondinnen werden auf der Theke tanzend vom Wirt direkt mit Tequilla aus der Flasche abgefüllt. Der Laden kocht, mir fehlt irgendwie die Partylaune, Heimweg ist angesagt.

Einen Tag früher als geplant verlasse ich Cape Town am nächsten Tag. Irgendwie fühle ich mich leer, vermisse meine Frauen schon ein bisschen und der Daimler bringt mich sicher und gemühsam die 500km zurück auf die LADY. Hier ist es inzwischen schweinekalt. Ich krame unser Elektroöfchen aus der Bilge und richte mich schon mal auf den Wintereinbruch ein. Kalt im Bett ohne warme Maya und Mutter.



  • 23:00
  • 15.04.2007
  • 34°02.49S, 025°02.65E
  • Knysna/Süd Afrika
  • 21°C
  • 1 SE
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