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Ruhe

Ruhe

20:54 Ein winzigkleiner Windhauch ist aufgekommen, gerade genug, dass die Segel nicht schlagen und wir zwischen 1 und 2 Knoten Fahrt machen koennen. Natuerlich kommen wir mit der Geschwindigkeit nie rechtszeitig in Fiji an, aber wir goennen uns und Johann einfach mal eine Pause. Eine Nacht ohne Proett, proett und morgen frueh geht es wieder weiter.

Der Tag verging mit Fischverarbeitung, denn die Dorade, die mittags biss, war keineswegs klein, sondern ein Prachtstueck von ueber einem Meter. Soviel Fisch koennen wir bei allem Seebaerenhunger nicht essen und so wurde eingekocht, eingelegt und getrocknet, was das Zeug haelt. Und immer noch ist der Kuehlschrank voll und immer noch will der Skipper angeln. Im Jagdfieber. Doch jetzt ist es erst mal dunkel, da wird nicht gefischt, denn nachts beissen immer seltsam schleimige, duenne Ungeheuer mit schiefen Zaehnen an, die entsetzlich riechen, das kann einem die ganze Nacht verderben.

Unser schoenes Fischerstolzfoto von Natale mit der Dorade existiert natuerlich nur auf der Spiegelreflex und kann somit nicht als daypic dienen. Aber Katharina hat ja geschrieben, dass alte Fotos auch schoen sind und daher gibt es heute Kinderaugen aus dem abgelegensten Dorf in Samoa. War gar nicht einfach, die Kids zu fotografieren, denn natuerlich wollte jeder aufs Bild. Ein Gerangel, Gedraenge und Geschubse und in Nullkommanichts hatte man die ersten Koepfe zwei Zentimter vor dem Objektiv. Doch ein paar Ueberraschungsbilder haben doch noch geklappt.

15:47 Der Morgengrauen brachte zwei wunderschoene Bonitos, einer an Steuerbordleine, der andere an Backbord. Natale kommt aus der Koje und bekommt die Augen noch nicht auf, als ich ihr die footballs zeige. >>Igitt. Fisch. Ja, toll Schatz. Ich Dich auch.<< Schwupps war sie wieder weg und ich erledige das Blutbad, filettiere Thunfisch morgens um acht. Auch nicht schlecht. Is mir schlecht ;-)

Vorbei sind Crusingheimer und wilde Kaempfe der Nacht mit Piraten auf See, wir motoren immer noch, kein Woelkchen truebt den Himmel, kein Windchen pfeift um die Ecke, nur der Fahrtwind, den wir selber produzieren.

Dritter Tag auf See, zweiter Tag Flaute auf See gegen Mittag beisst eine gutaussehende, attraktive, blaugruene Golddorade auf die Backbordleine und unseren Augsburger-Puppenkisten-Koeder. Natale zieht die Dorade rein und schwupps habe ich wieder Fischverbot. So kann es gehen. Ich setze mich ueber das Verbot weg mit der Begruendung das Malte zu Besuch kommt. Wenn jetzt was beisst bekommt unser Gast 3 Wochen Trockenfisch. Zum Fruehstuck hauchfein auf Brot, Mittags in kleinen Wuerfeln mit Salat und Abends mit Reis. So. Faust auf den Tisch: >>Solange Du Deine Fuesse unter meinen Salontisch streckst wird gegessen was auf den Tisch kommt.<< Jawohl. Humtata. Helau. Bis jetzt hat allerdings noch kein weiterer Fisch gebissen.

Proet. Proet. Proet.
MS IRON LADY

05:14 Henning von der KUTA hatte es zuerst bei manch unserer Segelkameraden erkannt. Crusingheimer! Man erkennt seine Freunde nicht mehr, sitzt nur noch vor dem Computer, Tag und Nacht ist man mit PACTOR verbunden oder hat Sketch's auf irgendwelchen Funknetzten, weiss ueberall alles besser, kennt das Wetter fuer die naechsten vier Tage und kann es doch nicht aendern, hat seine Crew verloren, denkt nur noch in Vektorcharts... Crusingheimer kann uns Segler alle erwischen. Die Crusingheimer treffen sich gerne an den ueblichen Ankerplaetzen, einsame Inseln oder Stadthaefen, von denen sie nichts mitbekommen, weil sie sich staendig besuchen, gegenseitig auf die Schulter klopfen, anstatt die Hufe ueber die Insel zu schwingen. Waehrend ihrer Reise kommen sie so meist nicht ueber die Hafeneinzaeunung hinaus, vielleicht noch die ersten Seemannskneipen, den ersten Supermarkt um Nachschub zu bekommen. Crusingheimer ist weitestgehend unerforscht, es gibt keine bekannten Gegenmittel, ausser Boot verkaufen und sofortiger Abbruch der Weltreise.

Fuer den aussenstehen Leser mag sich das alles komisch anhoeren, doch es ist die Wahrheit. Die notorischen Besserwisser scheinen sich alle in der Suedsee zu treffen. Es gibt gegen Crusinheimerverseuchte Gegenden aber ganz einfache Abhilfe. Den ueblichen Zugkurs der Cruiser verlassen. Manchmal reichen schon 100 Meilen noerdlich oder suedlich, immer alleine reisen und die Gegenden besuchen, an denen sonst keiner vorbeikommt. Seine Plaene nicht ueber Funk veroeffentlichen. Und schon wird man das erleben, was man in den ganzen Seglerbuechern immer als die große Freiheit erlesen hat.

04:33 So, Radar ist wieder aus, das Navigationslicht an und der wirre Micha im Bett! So ein Quatsch, Piraten! Wir sind doch noch nicht in Suedostasien, sondern mitten auf dem Pazifik, meilenweit um uns herum nur Wasser und kleine Atolle, wo der staerkste Aussenborder 25 PS hat und an einem Auslegerkanu befestigt ist! ;-)
Na ja, vielleicht liegt es am Kaffee. Denn normalerweise trinken wir nachts nur Wasser, da die Anzuendeprozedur fuer den Kerosinherd sich fuer eine Tasse Kaffee oder Tee nicht lohnt. Doch jetzt wird motort, und der Boiler beschert uns 80 Grad heisses Wasser, reicht gerade fuer Nescafe. Kein Wunder, dass Micha, und mittlerweile ich auch, nach zwei Tassen Kaffe mitten in der Nacht auf einmal quitschfidel und leicht wahnsinnig durchs Schiff huepfen. Auch ich brauch keine Streichhoelzer mehr um die Augen offen zu halten, wie in der letzten Nacht. Hoffentlich kann ich gleich ueberhaupt schlafen, wenn ich dran bin. Morgen vielleicht doch wieder Wasser? Ne, hab ich ja vergessen, ist ja so verchlort, dass es pur nicht zu trinken ist.
Schweres Seglerleben.

01:12 Da sitze ich im Cockpit und muss ploetzlich ueber Piraten nachdenken. Die kommen ja auch bald wieder auf einen zu. Etwa paranoid schalte ich das Navigationslicht aus und das Radargeraet ein. Vielleicht ist das mit dem Nescafe doch nicht so gut. Das Radar sieht in der dunklen Nacht genauso wenig wie ich. Nichts. Nun ja. Man weiss nie und Strom haben wir genug, also bleibt der Radar an und das Licht aus. Natale wird mich gleich fuer bescheuert erklaeren.

Kurz danach denke ich ueber die Fahrtenseglergemeinschaft nach. Manchmal geht einem diese kleine Familie naemlich ganz schoen auf den Geist, manchmal ist man froh all die Segler zu haben, die im selben Zeit- und Zielraster mit einem fahren. Um dieses soziale Gefuege zu verstehen muss man sich einfach nur ins normale Leben zurueck versetzen. Es gibt die Fahrtensegler der Altersstufe nach Vierzig und der vor Vierzig. Ich weiss, eigentlich darf man solche Grenzen nicht ziehen, aber irgendwie muss man das ja zu fassen bekommen. Die Segler nach Vierzig sind meist TO Segler, die sich einen langersehnten Traum endlich erfuellen, wo sie nicht mehr arbeiten muessen, ihre monatlichen Einkuenfte aus privater oder gesetzlicher Altersvorsorge benutzen um sich dauerhaft auf dem meist volumeinoesen Segelbooten aufzuhalten. Die andere, viel kleinere Gruppe ist die, der Segler, die mit 20 bis 40 Jahren aus der arbeitenden Bevoelkerung aussteigen, sich ein Segelboot unter den Hintern klemmen und fuer ein paar Jahre den gesellschaftlichen Verpflichtungen entziehen. Da fehlt es meist an den entsprechenden monatlichen Betraegen auf dem Bankkonto, die Boote sind kleiner und ueberhaupt erkennt man Zugehoerige der einen oder anderen Gruppe im Fahrtensegler (Kleingarten-) verein. Is doch klar, dass zwischen diesen Gruppen ein prinzipielles Verstaendigungsproblem besteht. Der eine Segler hat eine kaputte Ankerwinsch und bestellt sich mit Kreditkarte einfach eine Neue. Der andere Segler hat Bandscheibenprobleme, weil er die Annkerkette immer mit der Hand, Schlag fuer Schlag hochziehen muss. (Was eine wirkliche Scheissarbeit ist!) Es ist also alles wie zu Hause geblieben. Auch ist ersichtlich, dass sich zwar alle untereinander sehr gut verstehen, aber die Einladungen zum Sundowner oder Entenessen schon innerhalb der Kasten gefuehrt werden. (Ausnahmen bestaetigen die Regel!) Dementsprechend gibt es in einer Anchorage wie in Apia auch viele einzelne, kleine und grosse Schicksale und einen gemeinsamen Kanal VHF 16. Dort ruft man dann z.B. die IRON LADY, da 16 ein Anrufkanal ist geht man auf 72 und weiss genau dass im gleichen Moment 10 andere neugierige Segler auch mit auf 72 umschalten. Eigentlich koennte man jetzt alle Mitumschalter aus beiden Kasten mit begruessen, was man aber aus moralischen Gruenden nicht tut.

Aber warum erzaehle ich das alles? Ganz einfach. Ich habe im November meinen 40ten Geburstag und Angst in die naechste Kaste zu kommen ohne Rente zu beziehen ;-) Oder vielleicht auch, weil ich zu viel Nescafe getrunken habe und total aufgedreht bin.

Ich geh jetzt mal schauen ob nicht doch Piraten ums Boot herumlungern.



  • 01:12
  • 04.10.2003
  • 14°31.84S, 174°19.15'W
  • Pacific
  • Fiji
  • 25,3°C
  • E 1
  • 1,5

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