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Morgenrot

Morgenrot

06:00 Segler finden immer einen Grund zum feiern. Abschied, Ankommen, Sundowner, Vollmond, Mitternacht... Jetzt sitze ich hier an meinem kleinen Kartentisch, die Brandung des Pazifiks am nahen Riff, dahinter die Scene Moorea im Morgenrot und habe einen etwas dicken Kopf. Versuche es erst einmal mit einer Calciumtablette in Wasser aufgeloest. Hier auf der anderen Seite der Welt, weit weg von Zuhause, Familie und den paar uebrig gebliebenen Freunden ist es ploetzlich gar nicht mehr so anders. Am Hang leuchten noch die orangen Strassenlaternen, fahren schon die ersten Grossstadtbusse auf der vierspurigen Stadtautobahn. Supermaerkte, Tankstellen, Hafengebaeude, Hotels und Tausende von Menschen die sich hektisch in Autos ueber die Insel bewegen. Ich will eigentlich zurueck nach Toau.

Weg aus Toau, sind wir eigentlich nur wegen den Papieren, die wir hier zu erledigen haben und weil die Lady einfach leer ist. Kein Diesel, kein Wasser fuellen unsere Tanks mehr, wirklich alle Schapps mir Lebensmittel sind leergefegt. Unsere Vorraete an Wein und Rum haben wir mit den Taupiris geteilt und die Wasserlinie der Lady ist um gut eine Handbreite hoeher als wenn wir uns gerade vollgebunkert haben. Hier in Tahiti zu bunkern uebersteigt ganz einfach unsere finanziellen Moeglichkeiten, mussten wir nach unserem ersten Supermarktbesuch feststellen, doch brauchen wir all diese Dinge? Eigentlich nicht, haben wir auf Toau gelernt.

Auf der einen Seite geniesse ich es wieder einmal an einem Stadtankerplatz zu liegen, mit vielen, vielen anderen Booten aus der ganzen weiten Welt, auf der anderen Seite habe ich fast schon Angst vor der Zivilisation. Wird man so auf Langfahrt? Wird man ein Einsiedlerwesen, dass in dieser Zivilisation nicht mehr klarkommt? Habe ich mich frueher immer gefragt. Aber dem ist nicht so. Nach ein paar Tagen ist alles wieder beim Alten, man erledigt, was es zu erledigen gibt und schwupps ist man genau der gleiche Michael wie vorher. Doch im Hirn da stagnieren Bilder und Erinnerungen an das Paradies, an die Inseln ohne Kuehlschrank und blockieren wahrscheinlich fuer den Rest des Lebens, die Lebensphilosophie. Traeume werden wahr, Ziele verschieben sich, wertvolles wird sinnlos und sinnloses wird wertvoll. Ein wunderbarer Prozess der einen die Dinge gelassener sehen laesst, solange man einen Anker hat, den man hochziehen kann, um den Aussichtspunkt zu verlassen und nach neuen Ufern zu suchen.

Die See hat auf dem letzten Schlag mit uns gespielt wie mit einem Gummiball, hat uns mal wieder gezeigt wer der Master ist. Die Natur gewinnt immer und wenn es einfach nur ist, weil sie kein begrenztes Leben hat, wie der Mensch, der immer seinen guten Vorsaetzen hinter her rennt. Geburt, Kindergarten, Schule, Studium, Arbeit, Rente, Tod. Die See kennt das nicht. Die tobt wenn sie Lust hat und stundenlang sitze ich in der Plicht, bis auf den Schlitz fuer die Augen in Oelzeug verpackt und schaue mir die Brecher an, wie sie die Lady vor einer Seite auf die andere legen und ab und an einfach drueberspuelen. Ja, der Sturm sitzt mir noch in den Knochen und das ist auch gut so. Mit meinen Gedanken bin ich schon wieder auf See, doch jetzt setze ich mich erst einmal auf das Vordeck und werde mir Papeete aus der Entfernung ansehen. Es ist Sonntag und ich bin froh, dass wir heute noch nicht in den Strudel dieser Stadt muessen.



  • 06:00
  • 20.07.2003
  • 17°21.86S, 149°15.62'W
  • Papeete/Tahiti
  • -
  • 23°C
  • VAR 1
  • -

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