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Muskelkater und Karneval

Muskelkater und Karneval

20:28 Jeder Schritt tut weh, vor allem bergab. So einen Muskelkater hatte das letzte mal in meiner ersten Aerobicstunde, und das ist lang her...deshalb sind wir heute auch schoen ruhig bei wenig Wind ein bisschen weiter suedlich bis nach Playa de Santiago gesegelt. Da kann man sitzen, muss nur den Oberkoerper und die Arme benutzen, was noch ganz gut funktioniert...

Aber Micha war ja noch nicht ganz fertig mit der Erzaehlung vom gestrigen Tag:
In Hermigua standen wir vor dem Problem irgendwie nach San Sebastian zurueckzukommen. Theoretisch gibt es einen Bus, der faehrt manchmal, ueber die genaue Uhrzeit waren sich die Einwohner nicht so ganz einig. Die genauste Auskunft war: Heute habe ich den Bus noch nicht gesehen, wahrscheinlich kommt er noch, auf jeden Fall ist er gruen. Na prima!

Naechstes Problem war der Ort, an dem man sich aufhalten muss, damit der Busfahrer einen auch mitnimmt...Gruen-weiss gestreifte Strassenmarkierung ueber eine Laenge von 20m; man sollte nicht meinen, es waere ausreichend sich einfach im Bereich der Markierung aufzuhalten. Von einem gomerischen Grossvater wurden wir sofort aufgeklaert, dass wir nur dann Chancen auf Erfolg haetten, wenn wir direkt unter dem Halteverbotschild stehen...

Irgendwie wurde uns dann doch ein bisschen mulmig, schliesslich hat der Karneval heute begonnen, und zu Zeiten der Fiesta ist eh alles anders, also mal wieder Daumen raus, frustraner Versuch!
Angehalten hat schliesslich ein Taxi, schon mit 4 Fahrgaesten besetzt, aber auf den Kanaren gibt es noch eine Sitzbank im Kofferraum... 600 Peseten fuer uns beide war uns die Rueckkehr in die Marina doch wert...
Mexikanische Musik, gomerische Mutter mit erwachsenem Sohn und eine alleinerziehende Norwegerin mit Tochter, die wechselnd die Taxibelegschaft auf Deutsch, Englisch und Spanisch zutextete, waren der kroenende Abschluss der Wanderung.

Kaum auf der Lady angekommen, war Steve auch schon mit Bier da und der wichtigen Frage, wie man sich denn fuer heute abend kostuemieren solle. Keine Zeit zum Verschnaufen, Fuesse hochlegen und Blasen begucken. Micha schmeisst sich in seinen Blaumann, steckt die groessten Schraubenschluessel ein, die er finden kann und schmiert sich Russ ins Gesicht wie ein Fuenfjaehriger...
Meine Arme und Beine sind innerhalb von Minuten mit Ankern, Herzen und Segelschiffen uebersaeht, Kopftuch und schwarze Klamotten, fertig ist die Piratenbraut. Auch Steve haben wir mit Fischerhemd, Kopftuch und Gummistiefeln karnevalsfaehig gestylt.

Wer haette das gedacht, seit Jahren keinen Rosenmontagszug in Duesseldorf mehr mitgemacht und ploetzlich stehen wir am Strassenrand der Parade und haben maechtig Spass inne Backen. Der groesste Vorteil: Es ist warm, kein Regen und die Strassen versinken nicht in Tonnen von fiesen Bonbons. Halb Gomera promeniert durch die Strassen zu suedamerikanischer Musik, auch die Weingueter marschieren mit und verteilen Kostproben...
Die Gomeros haben noch bis 4 Uhr morgens gefeiert; wir nicht, der Tag in den Bergen hat dann doch irgendwann seinen Tribut gezollt...

Der gestrige Abend war laut Angaben des Hafenmeisters der erste von vielen, jeden Tag Parade, jeden Tag Konzert bis in die Morgenstunden.
Uns reicht einmal, und da schlafen bei Musikbeschallung doch eher schwierig ist, liegen wir jetzt in Santiago, haben lecker frittierten Fisch gegessen und geniessen die Ruhe.

-

9:25 Natale hat sich fest vorgenommen das durchschnittliche monatliche Besichtigungsprogramm eines Normalfahrtenseglers innerhalb von 10 Tagen zu absolvieren. Mit dem Bus zum hoechsten Punkt von Gomera, dem Cabezo del Pajarito, mitten in der Nacht um 10 Uhr morgens, von dort der Abstieg, 1374 Meter hinunter durch Schluchten, auf mehr oder wenig gut befestigten Wanderwegen und furchterregenden Bergpfaden, die ich normalerweise nur in schlimmen Albtraeumen begehen wuerde.

Ich vertraute meinen guten Wanderschuhen, hielt meinen Blick immer auf den naechsten Stein, den ich betreten wollte, krallte mich beim Hinabblicken in die Schluchten und Abhaenge immer schon auf der anderen Seite fest und versuchte nicht daran zu denken, dass ich an meiner Schwindelfreiheit starke Zweifel hege.

Statt einfacher, wurden die Wege immer schwieriger, und in manchen Momenten dachte wohl auch die Capitana an Rueckkehr auf einfachere Waldwege. Aber das ist aehnlich dem Segeln. Da muss man einfach durch.

Es gab aber auch viele grosse und kleine Belohnungen, die wir wie immer versuchten zu fotografieren, wohlwissend, dass die Bilder leider nicht die dreidimensionale Tiefe unseres Bewusstseins, auch nicht die dazugehoerigen Emotionen beim Bergwandern und dem uns umgebendem Klima wiedergeben koennen. Die Ausblicke in die Schluchten, zu dem Wasserfall, der hoch oben an einem unserer Ausgangspunkte entsprang, auf die Palmen, die neben Lorbeerbaeumen friedlich ihr Dasein geniessen, auf die am Hang gebauten Haeuser, die nur ueber diesen Weg zu erreichen sind, all dies und vieles mehr beeindruckte uns zutiefst. Fuer diejenigen, die wirklich einmal eine unglaubliche Wanderung machen wollen, sei der Weg durch den Barranco del Cedro eine herzliche Empfehlung wert.

Irgendwann fanden unsere Fuesse den Weg zu einer der vielen Plaetze, deren Grasboden einer Brot- und Weinzeit nun wirklich nicht mehr widerstehen konnte. Bloss nicht die Schuhe ausziehen. Die Fuesse wollen da nie wieder hinein. Fuenf Stunden Abstieg hoert sich einfacher an, als es in Wirklichkeit ist. Das Springen und Abfedern mit Spanne und Knien fordert gewaltig einige Muskeln, deren Daseinsberechtigung in meinen Beinen und Fuessen ich bis dato noch nicht kannte.

Aber auch wenn wir dachten, dass es jetzt doch endlich einfacher wird, so war dem nicht so, der restliche Abstieg nach Hermigua, an der Nordkueste von Gomera verlief an alten Levadas mit neuen, darueberverlegten, modernen Wasserrohren.

Hermigua ist touristisch gesehen wohl eher uninteressant und somit der Hund dort wohl begraben. Aber dazu spaeter mehr.



  • 09:25
  • 25.02.2001
  • 28°05.34'N, 017°06.48'W
  • San Sebastian/Gomera
  • -
  • 24°C
  • - NW
  • -

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