Natales Nachtgedanken

22:00 Von der Kalmenzone ist noch weit und breit nichts zu merken. Wie gestern frischt der Wind am Abend auf und schuettelt und kraeftig durch. Es stehen vielleicht noch 10 qm Segelflaeche und dennoch rast die Lady weiterhin ihrem Ziel entgegen.

Tagsueber ein ganz normaler Tag auf See, der Himmel blau, die See blau, keine Gefahr, wunderschoenes Segeln. Und doch, waehrend ich auf den Horizont schaue, den Wellenbewegungen folge, ueberkommt mich auf einmal ein seltsames Gefuehl. Keine Angst, vor Wetter, Seegang oder dem Wasser, keine Seekrankheit, einfach nur ein Ziehen in der Magengegend. Der Pazifik ist so gross. Es ist, als wenn man in einer sternklaren Nacht in den Himmel blickt, und sich angesichts der Weite und der Unendlichkeit, die einen umgibt, ploetzlich verloren, klein und unbedeutend vorkommt.

Schwer zu erklaeren, was ist das? Respekt, Staunen oder einfach nur Hilflosigkeit? Der Pazifik ist so gross.

12:05 Unser erstes Etmal, 140 Meilen. Das ist fast Iron Lady Rekord! Die ganze Sandstrahlerei hat sich also wirklich gelohnt. Wir sind schwer stolz und klopfen uns auf die Schulter und der Lady natuerlich auch.

Zur Belohnung gibt es Fisch zum Mittagessen, was sonst. In 500 Meter Entfernung zieht ein Frachter vorbei. Doch Reden will er nicht mit uns, so oft ich auch meine charmante Stimme ueber den Aether klingen lassen... Der Funker hat wahrscheinlich Mittagspause.

04:18 Der Mond ist untergegangen. Im selben Moment faengt es ueberall an zu glitzern. Das Kielwasser der Lady leuchtet durch das Plankton, aufspritzende Gicht flimmert wie tausend Gluehwuermchen.

Der Himmel ist sternenklar, Kurs Kreuz des Suedens. Schon oft haben wir dieses Sternbild in den letzten Monaten gesehen. Doch auf einmal scheint es klarer, heller zu sein. Richtungsweisend - Suedsee.