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Familiensegeln. Die maximale Tiefenentschleunigung.

Muss irgendwie doch im Blut liegen.

Noch vor Sonnenaufgang klingelt der Wecker des iPhones. Ich brauche gut 15 Minuten bis ich merke, dass ich gemeint bin. Schlaftrunken nehme ich den Müll mit und bringe die Club-Chipkarte zur Jolle von Alexander, binde dort eine kleine Plastiktüte an. Er hat es mir und Lena gestern richtig schwer gemacht zu verkünden, dass wir heute schon wieder ablegen. Herzliche Menschen, diese Russen, wenn man sie versteht. Die Entscheidung steht. Wenn ich noch mal nach Russland komme, mache ich vorher einen Sprachkurs. „Ne? Lena?“



Es ist windstill. Das Wasser ist glatt und spiegelt die Skyline von Petersburg, dem Gasprom Tower und dem neuen Fußballstadion für die Weltmeisterschaft 2018 wieder. Ich könnte verweilen, aber ich nehme die Leinen von den Klampen, schmeiße sie über die Reeling und schiebe die MARLIN mittschiffs nach achtern. Schon gleitet sie achteraus in das kleine Hafenbecken. „Jetzt aber schnell aufsteigen. Sonst segeln die alleine ohne mich los.“ Den Fuß in ein Bullauge steige ich an Bord. „Was soll ich tun?“, fragt Nathalie fast beleidigt. „Nimm Dir den Fender, damit wir die olympischen Jollen achteraus nicht kaputt machen. Wäre ja peinlich.“ Rückwärts unter Motor wären wir nicht hier rausgekommen. Der Radeffekt hatte uns einen Streich gespielt. Deshalb per Hand angeschoben. Fast auf Tuchfühlung mit den teuren Rennjollen kuppel ich ein und MARLIN dreht sich brav, jetzt mit gewollten Radeffekt, gleitet sanft durch den noch schlafenden Hafen ins jungfräuliche Blau des neuen Tages.



Nathalie hat gestern einen Tag mit den französischen Impressionisten und Maya in der Eremitage im Zentrum von Petersburg verbracht. Ich habe mit Lena die Kratzer vom letzten Malheur am Bug der MARLIN gespachtelt, geschliffen und lackiert. Der flache Schwimmsteg hat sich grade zu angeboten und wir beiden Homies, Lena und ich, wir hatten ein prima Excuse um uns um den Stadtbesuch zu drücken. Jeder soll glücklich sein und das ist uns gelungen. Alex hat uns abgeholt mit seiner Freundin Marina (auch englischsprachig) und einen Besuch in der megagroßen Industriehalle auf dem Clubgelände organisiert. Da drinnen verbirgt sich, was wir nicht wussten, eine Werft, meint: 100 Mitarbeiter bauen dort ein 1:1 Replikat eines Piratenschiffes alias Black Pearl oder so. Genau haben wir das nicht verstanden. Aber Gasprom finanziert das ganze Projekt und das Schiff soll später irgend wie am Fuße des Towers in einen megagroßen Marina liegen. Prunkstück sozusagen. Lena und ich bekommen einen Helm auf und dürfen durch den fast fertigen Holzrumpf des Schiffes mit einer netten Führerin, Alex und Marina spazieren. Hehe! Also doch noch ein bisschen Kultur für uns Homies.

Zwischenzeitlich liegt ein tiefenentschleunigter Segeltag hinter uns. Um 9 waren wir in Kronstadt zum Zoll und Immigration und um zehn sind wir durch die Schleusentore rausgesegelt Richtung West. Keine Probleme mit den Behörden und 10 Knoten Wind aus Süd bis Ost. Aufrechtes Segeln, blauer Himmel und hochsommerliche Temperaturen. So warm, dass es schon fast zu heiß ist. Ein U-Boot begleitet uns, über Funk werden wir auf russisch aufgefordert uns an die Schifffahrtstraße zu halten und nicht in das Schießgebiet hineinzusegeln. Hab ich nicht direkt versatnden, aber nach dem dritten Mal war es doch auffällig und so viel russisches Sprachgefühl habe ich inzwischen schon, dass die Position die die Dame immer wieder wiederholt hat, doch genau unsere war. O.K. Probleme mit russischen Behörden brauchen wir nicht. Kennen wir schon. Also Kursänderung und nah am Fahrwasser weiter nach West.

Das Segeln mit Familie ist total anders als mit Crew. Maya und Lena ziehen mit Decken, Kopfhörern, iPad und iPhone, Malzeug und Süßigkeiten laut gackernd ins Pilothaus ein. Papa ist nicht mehr Skipper. „Kannst Du bitte die Hängematte aufhängen?“ Klar, auch das mache ich und lege mich erst mal selbst hinein. Wir segeln mit 3 Knoten, 5 Knoten achterlichem Wind und alle sind glücklich. Alle paar Stunden macht jemand was zu essen. Es gibt Tee und Kaffee, Kekse und Saft. Keiner sagt was. „Genau so hatten wir uns das vorgestellt Papa.“

Zwischenzeitlich ist es nach Mitternacht. Eine Meile neben uns die Schiffsautobahn. Ein schwimmender Weihnachtsbaumtouristenbomber alias Aida Schlagmichtot nach dem anderen rauscht dort Richtung Tallin, Stockholm und Helsinki. Morgen früh spucken sie wieder tausende von Touristen aus. In der Nacht geht es zum nächsten Hafen. Dort in der nächsten Stadt das gleiche Spiel. So kann man’s auch machen. Bei uns an Bord schlafen auch alle. Ich hab auch 90 Minuten geschnorchelt. Jetzt genieße ich die Ruhe, bis auf die Mücken, die weit von Land, bei dem leichten Wind bis aufs Meer geflogen kommen. Oder sie werden in dem süßen Wasser sogar hier auf dem Meer geboren. Mich sehen sie auf jeden Fall jetzt als Futter an. Vor allen Dingen die Weibchen. Ich drücke eine nach der anderen auf dem Monitor platt. Nathalie schläft jetzt. Routine aus hunderten von gemeinsamen Nachttörns rund um diese Welt machen es einfach. Das verlernt man nicht. Wir teilen uns die Nacht und sind morgen beide recht fit. In zwei Stunden wird der Wind einschlafen, so wie immer wenn man Nachts durch ein Hoch segelt. Mit dem Sonnenaufgang, dem ersten Licht am Horizont um vier Uhr werden wir die finnische Grenze erreichen. Auf der kleinen Schären Insel Haapasari gibt es Zoll und Immigration. Wir müssen ja wieder in die EU einklarieren. Um uns herum plätschern die kleinen Wellen der Ostsee. Acht Knoten Wind schieben uns fast lautlos mit 4-5 Knoten durch die Nacht. Schöner kann Segeln nicht sein.



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  • 23:55:00
  • 16.08.2017
  • 60°12.4663'N, 27°58.5926’E
  • 285°/ 4,7kn
  • Baltic Sea / Sommer Island
  • Finnland / Haapasari
  • 20°C
  • 10kn/S
  • 0,5m

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