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Voll der Krebskranke. Oder?

Spieglein, Spieglein an der Wand...

Ich bin umgezogen. Nein nicht ungezogen. Das wenig, denn mit den Schwestern werde ich mich nicht anlegen. Von denen bin ich voll abhängig. Lieblingsschwester Heidi aus der Beatmungsstation hat mich mit meinem Bett, samt meinen paar Sachen und jede Menge elektronischem Spielzeug auf die Stefan Morsch Station geschoben. Ich sitzend, schön eingepackt in Schutzkleidung, Kopfhäubchen, Mundschutz und Handschuhen. Mit grade mal 700 Leukos/µl (weiße Blutkörperchen) gelte ich quasi immunsystemsfrei. Wie es zu der Verlegung kommt weiß nur der große Häuptling, Frau Prof. Dr. med. Nazezda Basara. Mir soll es recht sein. Ein Bad mit eigener Dusche und Toilette. Was für ein Luxus. Auf der Beatmungsstation musste ich in eine Schüssel im Stuhl machen und reihenweise Urinflaschen vollpinkeln und hinterm Fenster standen teils Pfleger und Ärzte. Gewaschen habe ich mich mit Waschlappen am Waschbecken. Also ist die Stefan Morsch Station für mich wie eine Luxussweet. Einzig dumm. Eine Türe verschließt den Blick in die Freiheit und ich brauche auch gar nicht darüber nachzudenken das Zimmer zu verlassen. Draußen hinter schalldichten Fenstern die Baustelle des neuen Parkplatzes, der Blick über Duburg. Weit hinten die Förde und hin und wieder ein kleines Segelboot. Im Bad gibt es auch einen Spiegel. Nicht schön, sondern die Wahrheit. Das bin ich, nach einem Monat Krebsstation und der ersten Chemotherapie. Ich sehe jetzt so aus, wie die Leute die man hin und wieder auf der Straße oder in der Nähe von Krankenhäusern sieht. Kahlköpfige, abgemagerte Wesen mit einem seltsamen „...und ich lebe doch noch! Grinsen“ im Gesicht bewusst über die Straße bewegen. Bewusstseinserweiterte Wesen, Menschen, denn Krebs verändert unser Leben, erweitert unser Bewusstsein über die Bedeutung jedes Tages. Der Blick in den Spiegel tut weh. „Herr Wnuk, sie sehen ja total gut aus!“, meint eine nette Pflegerin. „Das ist doch nur Mitleid und seelischer Beistand. Das lernt ihr doch in der Ausbildung. Bin doch nicht doof.“ Wie durch Zufall habe ich noch kurz vor Behandlungsbeginn (eigentlich wollte ich Inhaftierung schreiben) noch zwei schicke Caps auf der Kirmes an der Förde erstanden. Die ziehe ich an, wenn Besuch kommt. Manchmal auch einfach so und schaue dann in den Spiegel um mir vorzustellen, wie ich wahrscheinlich in ein paar Monaten wieder aussehen werde. Auf der Stefan Morsch Station gibt es fünf Zimmer. Immunsystem-Hochsicherheitszone. Die Zimmer sind alle mit eigener Klimaanlage, Fenster geschlossen. Immer leichter Überdruck, damit ja keine Keime von Außen durch die Luftschleusentüren kommen. Hier liegen eigentlich Patienten, die eine Knochenmarkstransplantation bekommen haben. Für mich ist geplant, dass das ein kurzer Vorabbesuch für ein paar Tage wird. Mit etwas Glück, den richtigen Blutwerten und über 1.000 Leukos (Du, der das liest hast 4.000-10.0000) werde ich entlassen, für ein paar Tage Heimaturlaub. Dann kommt die nächste Chemo. Ich klebe mit der Nase an der Scheibe nach draußen, schaue auf den Bagger der die Sandfläche planiert, auf der später Autos parken werden. Warum konnte ich mir nicht einfach nen Bein in Flensburg brechen? Schlechtes Jahr 2016. Ja Scheiße. Klar versinke ich an manchen Tagen im Selbstmitleid. Dann kann ich keinen ertragen. Nicht am Telefon, nicht zu Besuch. Andere Tage lebe ich einfach so weg. Schlafe viel. Ein Film via Amazon und dabei Fahrradtrainer fahren. Es kommen Ärzte, es kommen Pfleger, mein Physiotherapeut, meine Schwestern. Alle nehmen sich etwas mehr Zeit, weil alle wissen ja, das ich Langzeit-Patient bin. Alle sind supernett. Oberflächlich bleibt es doch. Wie auch sonst. Drüben auf dem Dach der Diako, dem anderen Krankenhaus mit Polytrauma Notfall Aufnahme kommen die schweren Fälle mit dem Helikopter von der Westküste, von Sylt, vom Land, die Autounfälle und all das, was keiner wissen will. Wenn Nathalie Dienst hat, dann verbringt sie viel Zeit dort um zu schauen ob innere Verletzungen dabei sind. Kein schöner Job. Krankenhaus ist insgesamt nicht richtig schön. Schön ist es, wenn die Ärzte Leben retten können, wenn sie wie bei mir wissen, dass große Chancen bestehen, dass ich erfolgreich behandelt werden kann. Für mich wäre das nichts. Stand Klingelbeutel: >1.000. Tausend Dank noch mal an alle Spender. Ich kann keine personalisierte Dankesschreiben für jede Spende schreiben. Ich find euch alle toll, wie ihr mich hier unterstützt. Mit den bisherigen Spenden brauche ich mir über den Warteaufenthalt der MARLIN in Horta und den damit verbundenen Marinakosten keine Sorgen mehr machen. Das befreit schon mal im Kopf. Danke! Genug Budget für frische Postings bleibt auch noch über. Wie sagen die hier in Flensburg? „Alles gut!“



  • 23:55:00
  • 11.08.2016
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