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Lifestyle

Bordgeflüster

Da stehen unsere Lena und Theo von der Polarwind und unterhalten sich von Bordwand zu Bordwand. So soll es sein, denke ich mir, so hatte ich mir zumindest ein paar Jahre meines Seglerlebens vorgestellt. Lange gewünscht ist es jetzt zur Realität geworden. Unser brasilianisches Aupair Marcia haben wir sosehr in unser großes IRON LADY Herz geschlossen, dass wir sie einfach als dritte Tochter integriert haben. Eigentlich müsste es ja zu dicken Problemen führen, auf so engem Raum zu fünft; aber tut es nicht. Marcia kann sich irgendwie unsichtbar machen, genießt ihre Zeit und macht was ohne aufgefordert zu werden. So was brauchten wir.

Wir sind jetzt schon fast zwei Monate wieder zu Hause und viel geschafft haben wir mal wieder nicht. Macht aber nix, weil nicht die Strecken sind unser Ziel sondern der Weg dorthin und der ist klar. Das neue Gestänge für unsere Sprayhoud steht und diese Woche soll das Tuch drauf kommen. Nun, wir sind gespannt wie das alles so wird. Alex von der MUKTUK meinte via Skype, dass sie die Nordwestpassage mit so einer Kuchenbude gemacht haben und das Ölzeug eher im Schrank blieb. Na, wir sind gespannt. Wir peilen das nächste Wochenende an, für unsere Abschiedsfeier hier in Barlovento, um uns loszumachen.

Ich habe inzwischen jegliche Art von normaler Segelplanung aufgegeben. Mit Nathalie war es ja immer schon schwer, dass wir unsere Ziele synchronisiert haben. Das die Kinder einfach nicht tun was die Eltern wollen, macht die Sache nicht einfacher. „Wie? Unsere Kinder haben schon eigene Wünsche und Vorstellungen?“ Die Crewbesprechung nach dem Frühstück beinhaltet meist nur Ziele des kommenden Tages und sogar diese Ziele zu erreichen ist fast unmöglich. Ich will es an einem Beispiel erklären. Die Klappe von der Motorsteuerung. Da wo Schlüssel und Dekohebel untergebracht sind. Eine Holzklappe im Eingang der LADY. Die braucht dringend neue Scharniere und muss geklebt werden mit Epoxi. Doch darüber laufen jeden Tag fünf Leute und das ziemlich oft. Wie soll das gehen? Das Epoxi muss 24 Stunden in Ruhe aushärten. Und so oder so ähnlich verhält es sich mit fast allen Baustellen auf einem bewohnten Boot.

Sonntag war dann Familientag. Die Marina Barlovento, so schön, wie sie nun mal ist, liegt im Stadtteil Victoria und Victoria ist am Arsch der Welt. Also, alle Mann zum Bahnhof laufen. 30 Minuten. Große Diskussionen zwischen Maya Lena und Mama über die Wanderstöcke. Für Kinder sind eben andere Dinge wichtig als für uns Erwachsene. „Papa, wann sind wir da?“ Halbe Stunde auf den Zug warten. Wir bekommen keinen Platz. Die Züge sind derart marode, weil das Schienennetz so marode ist. Maya mag die Züge gar nicht. „In Deutschland sind die Züge besser!“ Die Fahrt in die Stadt dauert 45 Minuten. Unterhalten geht fast gar nicht, weil die Schienen so schlecht sind und die Fahrt ein Höllenlärm macht. Wir haben Glück und bekommen doch noch drei Sitzplätze. Vom HBF geht es weiter nach Recoleta. Unser Tagesziel. Der Friedhof der Wichtigen und der Reichen. „Papa sind wir auch wichtig? Werden wir hier auch mal begraben werden?“, fragt mich Maya als wir vom Grab von Peron stehen. In Recoleta ist Flohmarkt rund um das Centro de la Cultura, am Wochenende, also voll. Richtig voll. Kunterbunt und eigentlich könnte man den ganzen Tag hier verbringen. Wir wollten aber ins Museum. Ein „Nicht anfassen verboten“ Museum für Kinder. Das hat Nathalie schon ausgesucht. Hunderte von wissenschaftlichen Experimenten. Schön, richtig schön. Und schon ist die Zeit vorbei. Denn wir sind wieder verabredet und da drin sind wir nach meiner Meinung schon richtig argentinisch. Eigentlich könnten wir uns sofort ein Haus mieten und hier wohnen, denn die Argentinier müssen immer mindestens zwei Verabredungen gleichzeitig haben, dass können wir auch. Wir müssen in einer Stunde zum Grillen bei Jens und Thea unseren Freunden in San Isidro sein. Das liegt fast da, wo unsere LADY liegt, also die ganze Strecke wieder zurück. Doch kein Taxi will uns mitnehmen. Auch, Fleisch einkaufen müssen wir ja auch noch. Ich verstecke mich im Gewühl und als die vier Mädchen im Taxi sitzen, springe ich auf den Beifahrersitz. Der Taxifahrer ist sichtlich dagegen, aber er nimmt uns mit. Im Supermarkt streiten sich Maya und Lena, wer mit Papa Fleisch kaufen mag. Nathalie gewinnt und Lena bleibt auf ihrem Arm, laut schreiend. Es gibt keine Gurken. Ein kleines Problem reiht sich an das nächste. So wie das eben ist. Wir bekommen wieder kein Taxi zu fünft und die Fahrt nach San Isidro ist zu weit, zu teuer und so schlagen wir uns mit zwei getrennten Taxis durch das hupende Buenos Aires. Die Tasche mit dem Fleisch und dem Wein reißt als sich Maya daran hängt um auf meinen Arm zu kommen, eine Flasche Malbec zersplittert am Boden und sofort kommt ein Obdachloser an um den Restwein in einer Scherbe zu inhalieren. Skurril. Total skurril. Zumindest die Sonne scheint und wenn die Argentinier könnten, sie würden ihre Campingstühle sogar auf der Avenida Libertador aufstellen. Irgendwie liebe ich diese Stadt. Ich habe noch nie so etwas chaotisches kennengelernt.

Die Familie trifft sich wohlerhalten am Bahnhof von Belgrano um mit dem Zug den Rest der Strecke zu schaffen, eh schon eine Stunde zu spät. Der Bahnsteig ist voll, die Leute warten schon eine Stunde auf den Zug. Technischer Defekt am HBF in Retiro. Wieder versuchen wir ein Taxi zu bekommen. Aussichtslos zu fünft. Die Straßen sind voller Menschen, so dass man sich fragt wo die alle herkommen. Ich muss an den Zeitungsbericht denken, dass in Asien der siebenmillardste Mensch geboren wurde. Doch alles wird gut. Die Schüttel-Rüttel-Bum-Kawumm-Bahn läuft dann doch ein. Ich darf eine Stunde später Berge von herrlichem argentinischen Rindfleisch auf dem geilen, blankgeputztem Edelstahlgrill von Jens zu besten Steaks verarbeiten, die Kinder tollen sich auf dem Rasen mit ihren Freunden, Matthes und Julian. Der übriggebliebene Rotwein beendet diesen Familientag, spät in der Nacht kommen wir alle auf unser schwimmendes Heim und fallen wie die betäubten Fliegen in die Kojen. Morgen, neuer Tag, neues Glück.



  • 23:00:00
  • 30.10.2011
  • 34°26.6226'S, 058°31.7523'W
  • 0°/0kn
  • Barlovento Marina / Argentinien
  • Piriapolis / Uruguay
  • 24°
  • 5 kn SE
  • 0 m

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